Interview Björn Gustafsson: "Beim Laufen vergesse ich die täglichen Sorgen"

Der Fuß-Experte Björn Gustafsson, Gründer und Geschäftsführer der currex GmbH sowie ehemaliger Profi-Triathlet, plaudert aus dem Nähkästchen. Über sein Leben, seine Leidenschaft, das Thema Fußgesundheit und die besten Tipps zum Thema Jogging.

Björn Gustafsson Currex

Überblick: 

Karriere

Thriathlon und mediales Schienbeinkantensyndrom

Wie finde ich die richtigen Laufschuhe?

Wie wichtig sind Schuheinlagen?

Tipps für Laufanfänger oder Wiedereinsteiger

Privates über Björn Gustafsson


Er weiß, wie's läuft! Björn Gustafsson (47) hat im Alter von 16 Jahren damit begonnen, leistungsmäßig Triathlon zu betreiben. Im Jahr 1992 musste er seine vielversprechende Laufbahn jedoch vorzeitig beenden. Später schloss er das Studium der Sportwissenschaften ab und gründete die currex GmbH. Eine Firma, die zum Beispiel Lösungen zur Laufschuhberatung und Fußvermessung liefert sowie Konzepte zur Analyse des menschlichen Bewegungsapparates ausarbeitet. 

FEETASTIC: Aufgrund eines schmerzhaften »medialen Schienbeinkantensyndroms« traten Sie mit 23 Jahren vom Leistungssport zurück. Wie ging es danach weiter?

Gustafsson: Nachdem ich den Triathlon hinter mir lassen musste, packte mich eine Depression, ich fiel in ein Loch. Irgendwann ging es dann bergauf und ich fasste neuen Mut: Wenn es mit dem aktiven Leistungssport schon nicht mehr klappt, dann wenigstens in der Theorie und ich fing das Studium der Sportwissenschaft an. Dabei fasste ich den Entschluss, andere Athleten vor einem Schicksal wie dem meinen zu bewahren. Ja, und so wurde 2000 currex geboren.

FEETASTIC: Gab es ein Schlüsselerlebnis (z.B. ein besonderer Lauf etc.), bei dem Sie gemerkt haben, dass etwas mit Ihrem Bein nicht stimmt? Wie haben Sie sich gefühlt?

Gustafsson: Bevor das Ende kam, lief ich schon zwei Jahre mit Schmerzen als ständiger Begleiter. Der Knoten platzte dann genau an meinem 23. Geburtstag, auf einem langen Lauf durch das Hinterland Kaliforniens, wo ich mich zu der Zeit im Trainingslager befand. Genau bei Kilometer 13, in der totalen Ödnis, löste sich meine Knochenhaut vom Knochen. Schmerzen in einer neuen Dimension. Danach konnte ich die 13 Kilometer nach Hause hinken. Das war’s! Zwei Jahre konnte ich keinen Schritt mehr ohne Schmerzen tun.

FEETASTIC: War es schwer für Sie, Ihre sportliche Leidenschaft – den Leistungssport – hinter sich zu lassen?

Gustafsson: Oh ja, es fiel mir sogar unheimlich schwer. Der Leistungssport war schließlich mein Leben und dieses Leben war auf einen Schlag vorbei. Alles änderte sich plötzlich, ohne dass ich das gewollt hätte.

FEETASTIC: Was hat sich seit der Diagnose (neben Ihrer beruflichen Neuorientierung) im Alltag verändert?­ Gibt es Tätigkeiten, die Ihnen heute schwerer fallen?

Gustafsson: Mein ganzes Leben änderte sich nach der Diagnose – ich musste alles neu planen, mir überlegen, was ich jetzt für ein Leben führen will, nachdem das Alte nun Geschichte war. Zurückblickend kann ich aber sagen, dass es wohl so am besten war. Leistungssport ist zwar eine super tolle Sache, die Erfolge, die Momente des Schmerzes, der Lifestyle – aber man opfert eben auch seine besten Jahre und steht dann oft mit 30 vor der großen Leere. Ich konnte so meinem Pfad folgen und kann durch meine Erfahrungen nun Sportlern viel besser helfen, als ich es als Athlet jemals hätte tun können. 

Schwerfallen tut mir heute – 23 Jahre nach der Verletzung – nichts mehr. Nur es geht eben nicht mehr so schnell wie früher…

FEETASTIC: Was sind die Symptome des »medialen Schienbeinkantensyndroms«?

Gustafsson: Die Symptome sind schwer zu ignorieren: Ungefähr eine handbreit über dem Innenknöchel tritt bereits nach kurzer Belastung ein pulsierender, stechender Schmerz ein. Dieser ist so intensiv und zermürbend, das er zum Abbruch des Trainings oder Wettkampfs zwingt.

FEETASTIC: Wie wird das »mediale Schienbeinkantensyndrom« behandelt / therapiert?

Gustafsson: Zunächst muss bei dieser Überbelastung abgeklärt werden, welcher „fehlerhafte“ Bewegungsablauf das Problem ausgelöst hat. Dann gilt es, ein passendes Trainingsprogramm zusammenzustellen. Außerdem wird oft der Schuh umgestellt und eine Laufeinlegesohle an den Sportler angepasst, um die überbeanspruchten Muskelstrukturen zu entlasten.

FEETASTIC: Mit welchen Fußbeschwerden haben Triathleten häufig zu kämpfen? Wie war das bei Ihnen?

Gustafsson: Neben den bereits geschilderten Problemen hatte ich ständig blutige Füße. Das liegt daran, das Triathleten im Wettkampf keine Socken tragen und die Laufschuhe früher nicht fürs Barfußlaufen gemacht waren. Heute sind die Schuhe besser geworden, aber die hohe Belastung ist geblieben und das Nr. Eins Problem, das den Fuß betrifft, ist sicherlich die Achillodynie in all ihren möglichen Ausprägungen.

FEETASTIC: Viele Menschen tragen schlecht sitzende Sportschuhe. Wie finde ich Schuhe, die wirklich zu meinen Füßen passen?

Gustafsson: Ein guter Laufschuh sollte immer an die Konstitution des Sportlers angepasst werden. Das heißt an die individuelle Ausprägung des Fußprofils, der Beinachse, des Trainingslevels und des Körpergewichts. Diese Aspekte sind unbedingt zu beachten und daher empfehle ich auch, einen kompetenten Fachberater/in den Kauf einzubeziehen.

FEETASTIC: Bequemer Schuh gleich guter Schuh?

Gustafsson: Das kann ich auf jeden Fall mit ja beantworten. Der Komfort ist das entscheidende Kriterium für einen guten Schuh. Aber Achtung: Ein UGG Boot ist ja auch bequem, aber deshalb unter meinen Gesichtspunkten noch kein guter Schuh.

FEETASTIC: Was machen die meisten Menschen beim Laufschuhkauf falsch?

Gustafsson:

  1. Leider werden Laufschuhe viel zu oft zu klein gekauft.
  2. Die meisten Menschen wissen nicht, wie vorteilhaft individuelle Einlegesohle sind und nehmen sie nicht in Anspruch.
  3. Den Schuh nur nach der Farbe aussuchen – Das kann hinhauen, muss aber nicht.

FEETASTIC: Benötigt man wirklich immer eine detaillierte Laufbandanalyse?

Gustafsson: Nicht immer, aber es ist sehr hilfreich und interessant, wenn wir Sportler mit drei Kameras aus unterschiedlichen Positionen beim Laufen filmen. Gerade für ambitionierte Athleten, die ihre Leistungen verbessern oder Verletzungen vorbeugen wollen oder schon verletzt sind, ist die Bewegungsanalyse ein Muss. Eine professionelle Laufanalyse bieten das currexLAB (www.currexlab.com) und unsere zertifizierten Partner (http://www.currex.de/de/kontakt/referenzen/lauflabore.php).

FEETASTIC: Wie viel Geld sollte ein Laufanfänger für einen Laufschuh ausgeben? Wie viel ein Profi?

Gustafsson: Zusammengefasst würde ich sagen, dass fast alle Schuhe ab 90 Euro eine gute Basis sind, damit macht sich auf jeden Fall keiner die Füße kaputt. Doch wer sich mehr Komfort wünscht, muss auf individuelle Aspekte achten – z.B. mit der Hilfe von Einlegesohlen.

Frau mit Laufschuhen

FEETASTIC Wie wichtig sind Schuheinlagen? Und was müssen sie leisten können?

Gustafsson: Im Grunde bringt ja jeder Sport- und Laufschuh eine Einlage mit. Nur ist diese sehr dünn und nur aus billigem Schaumstoff. Für die Füße tuen diese nichts. Dabei sind richtig, hochwertige Einlegesohlen sehr wichtig und leider immer noch völlig unterschätzt. Gute Einlegesohlen individualisieren meinen Schuh und machen ihn erst so richtig zu MEINEM Schuh. Einlegesohlen sollten sich aber immer gut anfühlen, es darf auf keinen Fall drücken und kneifen.

FEETASTIC: Bei welchen Fehlstellungen ist eine Einlage unbedingt nötig?

Gustafsson: Das Thema Einlegesohlen geht sogar weit über die klassische Fußfehlstellung hinaus. Um die richtige Einlegesohle zu finden, sollte neben der möglichen Fehlstellung der Füße auch das abweichende Bewegungsmuster im Ganzen betrachtet werden.

Sinnvoll sind Einlegesohlen in jedem Fall, da so eine bessere Verbindung zwischen dem Fuß und dem Schuh gegeben ist und die Sensorik an den Füßen aktiviert wird.

FEETASTIC: Wie finde ich die für mich passenden Schuheinlagen?

Gustafsson: Eine Einlegesohle sollte wie ein Schuh auf die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden, d.h. welchen Sport übe ich aus und welchen Schuh trage ich. Beim Laufen sollte darauf geachtet werden, dass die Sohlen dynamisch und flexibel sind. Im Rennradschuh hingegen brauche ich 100% Kontakt, um die Kraftübertragung zu gewährleisten und mein Fuß gegen die Übermüdung zu schützen.

FEETASTIC: Minimieren Einlagen das Verletzungsrisiko?

Gustafsson: Wenn die Einlegesohle ein mehr an Komfort in den Schuh bringt und dynamisch ist, d.h. mit dem Sportler zusammenarbeitet, dann auf jeden Fall, JA.

FEETASTIC: Verraten Sie uns ein paar Tipps für Laufanfänger? Wie klappt der Einstieg?

Gustafsson: Wichtig ist, sich selbst zu fordern, aber nicht zu überfordern, sonst verliert man schnell die Motivation. Gerade als Einsteiger sollte man Schritt für Schritt vorgehen und sich mit Bedacht steigern. Beim Treppensteigen sollte man ja auch nicht auf der fünften Stufe beginnen.

FEETASTIC: Wie sinnvoll sind Trainingspläne? Was gehört hinein?

Gustafsson: Ein durchdachter Plan ist in jedem Fall eine gute Grundlage. Bitte nicht wild drauf los trainieren, sondern etwas Zeit und Gedanken in den Weg und das Ziel investieren. Was in einem Trainingsplan sehr gut aufgehoben ist, dass ist ein Lauftraining in der Gruppe. Dabei bereitet man sich gut vor, bekommt auch noch jede Menge Tipps und kann den eigenen Laufstil optimieren.

FEETASTIC: Bei vielen scheitert es ja am „Am-Ball-bleiben“: Wie kann man sich am besten motivieren?

Gustafsson: Der Weg ist das Ziel! Man sollte sich vor Augen führen, was man erreichen will und sich dann gut überlegen, wie man dieses Ziel erreicht. Will ich ein paar Pfunde loswerden, persönliche Grenzen überwinden oder liebe ich den Wettkampf? Die Gründe sind ja ungemein vielfältig. Und genau diese Gründe und Ziele muss man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen dann klappt das mit der Motivation auch langfristig.

FEETASTIC: Sie selbst haben als Triathlet ja nie bloß eine Sportart betrieben. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach eine Ausgleichssportart?

Gustafsson: Ich habe nach meiner aktiven Triathlon Karriere im anschließenden Sportstudium erst einmal festgestellt, wie wenig ich eigentlich im Sport konnte. Das war gerade beim Gerätturnen, Tanzen und den Ballsportarten der Fall. Meine jetzige Empfehlung ist daher neben seinem sehr gesunden Ausdauersport noch möglichst eine koordinativ anspruchsvolle Sportart zu betreiben. Und das kann für einige schon Yoga sein. Oder im Winter – da wo wir ihn noch haben – gerne Skilanglauf.

Gerade bei Kindern sollten die Eltern im frühen Alter lieber den Schwerpunkt auf Gymnastik und turnen legen und später dann erst auf die Spielsportarten wie Fußball oder Hockey.

FEETASTIC: Welches Gefühl lieben Sie beim Joggen besonders?

Gustafsson: Es sind zwei Gefühle die ich liebe. Beim Laufen ist es die totale Verschmelzung mit der Umwelt, dem Körper und Geist. Also das Fallenlassen und Abschalten der täglichen Sorgen. Und nach dem Laufen ist es einfach das Gefühl danach. Wenn ich aus der kalten !! Dusche komme und das frische Blut meine Adern durchströmt. Herrlich. I like!

FEETASTIC: Vermissen Sie den Leistungssport? Wenn ja, was genau daran?

Gustafsson: Jein. Es war schon eine tolle Zeit, aber diese Zeit ist eben Geschichte. Zwei, drei Jahre länger hätte ich schon noch gerne gemacht. Und zumindest einmal Olympia. Ja, Olympia, das vermisse ich.

FEETASTIC: Welchen Sport treiben Sie heute am liebsten in Ihrer Freizeit?

Gustafsson: Ich liebe das Surfen – ob klassisches Wellenreiten, Wind- oder Kitesurfen. Das sind alles super Sportarten, die fordern und sehr Spaß machen. Außerdem kann man sie mit Reisen zu sehr schönen Plätzen in dieser Welt verbinden.

So ganz haben mich die Wurzeln des Triathlon natürlich auch nicht losgelassen: Ich gehe noch immer laufen, Radfahren und viel zu wenig schwimmen. Beim Laufen gilt immer noch: Keiner überholt mich auf der Runde um die Hamburger Außenalster. 

Vielen Dank für das nette Gespräch, Björn Gustafsson!

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